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Wenn der Wald Geschichten erzählt

  • Autorenbild: Arlette Pinggera
    Arlette Pinggera
  • 10. Sept.
  • 2 Min. Lesezeit

Wenn man am Waldrand lebt, verändert sich das Hören.


Die Stille ist nicht still, sie ist durchzogen von Stimmen, die wir in den ersten Monaten hier kaum einzuordnen vermochten.

Manche waren vertraut, andere haben uns bis ins Mark erschreckt.


Einmal hörten wir, ganz nah, einen Schrei. So durchdringend, dass er uns den Atem stocken liess. Dann bewegte er sich davon, in einem Tempo, so schnell wie ein TGV, durch den Wald, immer weiter und weiter, bis er verstummte. Wir sahen nichts, wir wissen bis heute nicht, wer oder was es war. Vielleicht eine Wildsau? Vielleicht etwas anderes. Der Wald behält seine Geheimnisse für sich.



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In unserem ersten Sommer hier, gab es eine andere Begegnung. Nacht für Nacht hörte ich, sobald die Dunkelheit hereinfiel, ein Geräusch, das ich nie zuvor gehört hatte. Ein Zirpen, ein Schnattern, nicht wie von Vögeln, nicht wie von Enten, etwas völlig Eigenes. Zwei Wochen lang war es da, jeden Abend, fast pünktlich wie eine Uhr.

Ich hörte zu, versuchte Vergleiche zu finden, aber das Einzige, was mir einfiel, war eine Sequenz aus einem Film. Die Rufe frisch geschlüpfter Compsognathus und Velociraptoren aus Jurassic Park. So bizarr es klingt, genau daran erinnerte es mich. Und ich war ehrlich erleichtert, als die kleinen Saurier eines Abends einfach wieder verschwanden. Vielleicht sind sie weitergezogen, vielleicht haben sie nur eine Pause in unserem Wald eingelegt.


Und so lauschen wir weiter. Dem Käuzchen das ruft. Dem Rascheln im Gras, das den Fuchs verrät. Manchmal sieht man ihn nur huschen, ein roter Schatten zwischen den Stämmen, als wäre er selbst Teil der Dämmerung. Einmal stand er plötzlich ganz nah, reglos, mit funkelnden Augen, die uns einen Moment lang musterten, ehe er wieder lautlos im Unterholz verschwand.


Der Wald erzählt seine Geschichten, manche mit einem Knacken, andere mit einem Blick. Halb vertraut, halb fremd. Wir wissen nie, ob wir wirklich Zeugen sind oder ob die Fantasie uns ein Stück trägt. Villeicht ist es gerade das, was diesen Ort so magisch macht. Der Wald bewahrt seine Geheimnisse und doch flüstert er uns jeden Abend ein neues Kapitel zu.


Und wir, wir lauschen den Stimmen, die zwischen den Tannen verweilen. Der Wald erzählt seine Geschichten auf seine Weise. Und manchmal ist es besser, sie nicht ganz zu verstehen.


À bientôt




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