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Hausverkauf: Ein Erfahrungsbericht zwischen Traumkäufern und Kaffeetouristen

  • Autorenbild: Arlette Pinggera
    Arlette Pinggera
  • 1. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Wer sein Haus verkaufen möchte, stellt es ins Internet, lädt schöne Bilder hoch, schreibt einen einladenden Text und wartet.

So die Theorie. In der Praxis lernt man sehr schnell: Es gibt Menschen, die wirklich kaufen wollen und Menschen, die eigentlich nur schauen wollen.

Unser Haus, ein altes Herrenhaus in der Haute-Saône, stand knappe acht Wochen auf der Webseite von Green Acres. Schon bald kamen Anfragen aus der Schweiz, den Niederlanden und Belgien. Einige Paare kamen mit ernsthaften Interessen, andere eher mit dem Bedürfnis nach einem netten Ausflug. Manchmal spürte man das bereits nach zwei Minuten. Dann wird es schwierig, denn man möchte weder unhöflich sein, noch das Gefühl haben, die eigene Lebenszeit zu verschwenden.

Ausser man macht ein Business daraus:


Hausführung mit Kaffee, Kuchen & Gesprächen in der Haute-Saône

Lust auf einen kleinen Ausflug ins französische Landleben? Besuchen Sie unser fast 200 Jahre altes Herrenhaus in der malerischen Haute-Saône. Wir führen Sie persönlich durch die großzügigen Räume, erzählen Geschichten aus seiner bewegten Vergangenheit und servieren anschließend hausgemachten Kuchen und Kaffee.

Dabei bleibt genug Zeit, um gemütlich über Gott und die Welt zu plaudern.

Ein besonderer Nachmittag zwischen Architektur, Geschichte und französischem Savoir-vivre.

Für jeweils 2 Personen

50 € pro Stunde (inkl. Kaffee, Kuchen & Führung)


Ich muss mir ernsthaft Gedanken machen, denn die Idee ist irgendwie bestechend!!!


Es gibt offensichtlich auch grosse Unterschiede in der Reaktion von Interessenten zwischen Frau und Mann.

Männer stellen knappe, wesentliche Fragen. Sie interessieren sich für die Fakten. Sind alle Fragen geklärt und die Antworten zu ihrer Zufriedenheit ausgefallen, vereinbaren sie einen Termin für eine Besichtigung.

Wobei es auch einzelne gab, die mit mir telefonieren wollten. Und ich habe auf diesem Weg, die eine oder andere Lebensgeschichte erfahren.


Zur Rettung der Ehre des weiblichen Geschlechts muss ich sagen, es gab auch bei den Frauen eine, die im Vorfeld ausschliesslich an Fakten interessiert war und auch bei der Besichtigung selber, sehr fokussiert und konzentriert durch die ganzen Zimmer marschierte und sich alles Wesentliche, sprich Wände, Decken, Balken, Böden usw. angeschaut hat... EINE!


Alle anderen Damen haben mir eigentlich bereits im Vorfeld ihre Geschichten geschrieben. Ein bisschen so, wie man es früher ins Poesiealbum der Freundin geschrieben hat. Beruf, Hobby usw. und der Brüller zum Schluss war in aller Regel ihr Insta-Account. Ich habe mich immer gewundert und mich ernsthaft gefragt: Suchen die am Ende auf diesem Weg Insta-Follower?


Da war zum Beispiel eine mit der Betreffzeile "In die Villa verliebt". Die Mail las sich wie ein Lebenslauf: Wohnhaft in..., Realschullehrerin, Künstlerin, Yogalehrerin, Mutter. Sehr ausführlich, sehr lang, fast wie eine Bewerbung, nur blumiger. Am Schluss der Hinweis: "Unser Sohn ist noch zu jung. Würdet ihr erst in vier Jahren verkaufen, wäre das perfekt, jetzt ist es einfach zu früh." Ganz unten noch der Insta-Account.

Drei Monate später, wir waren bereits bei der Maklerin, kam wieder eine Mail: "Salut! Wir hatten schon Mailkontakt. Auf dem Weg in den Süden würden wir sehr gern bei euch vorbeischauen und die Villa besichtigen. Sie geht uns nicht mehr aus dem Kopf. Evtl. sogar mit Übernachtung im VW-Bus vor Ort, um verschiedene Stimmungen mitzubekommen. Sehr spontane Anfrage, ich weiss. Danke für eure baldige Antwort!"

Ich war irritiert. Die ellenlange Mail mit den vier Jahren hatte ich noch immer im Kopf und die spontane Anfrage klang mehr nach Tagesausflug mit Übernachtung, als nach echtem Kaufinteresse. Also leitete ich an unsere Maklerin weiter.


Sylvie ist das, was wir eine Wandenbeisserin nennen. Sie ist ziemlich gnadenlos und zackig. Das was hin und her geschrieben wurde, bekamen wir jeweils im CC und die letzt Mail von "In die Villa verliebt" war, "Madame, wir haben gestern Abend viel geredet und ich muss unser Rendez-vous absagen. Es ist zu früh in unserem Leben. In vier Jahren ist es perfekt, aber jetzt nicht. Tut mir leid!"


Und dann gab es eine Geschichte welche uns die Augen geöffnet hat und uns gezeigt hat, dass wir den Verkauf besser an Profis übergeben. Schweizer Interessenten hatten sich per Mail bei uns gemeldet. Die Mail wurde unter Betreff "Euer schönes Haus lässt mich nicht mehr los" angekündigt. Ein sehr sympathischer Mailwechsel folgte, währenddessen wir auch gefragt wurden, ob denn die Möglichkeit einer Übernachtung bestehen würde und obwohl wir gleich nach dem Unfall von Joos aufgehört hatten unsere Zimmer zu vermieten, machten wir eine Ausnahme.

Die Zimmer wurden also geputzt, die Betten frisch bezogen und ich verbrachte den Morgen in der Küche, um das Mis en place für das Abendessen zu machen.

Der Termin für die Besichtigung war für den Nachmittag geplant. Alles war nun vorbereitet, als eineinhalb Stunden vor dem verabredeten Zeitpunkt mein Telefon klingelte: "Wir kommen eine Stunde später." Ich dachte: Kann passieren, vielleicht Stau. Also erklärte ich freundlich, dass ich dann leider nicht die ganze Zeit anwesend sein könne, weil ich mit einem unserer Hunde zum Tierarzt müsste. Daraufhin kam die Frage: „Oder sollen wir einfach früher kommen?“

In diesem Moment stutzte ich. Früher? Also könnten sie durchaus pünktlich sein. Vielleicht saßen sie gemütlich an einem See, die Füße im Wasser, oder schlenderten durch ein Städtchen. Alles möglich. Aber tut man so etwas, wenn man das Haus seiner Träume anschauen will? Euer schönes Haus lässt mich nicht mehr los??


Sie kamen irgendwann doch. Joos begann mit ihnen die Besichtigung und ich gesellte mich später dazu.

Das Interesse war mehr höflich als echt. Man erkennt das am Blick, an den Fragen die ausbleiben, an der Körpersprache. Der Fokus lag eher auf der Einrichtung und den hübschen Details als auf dem Haus selbst.

Irgendwann sagte die Frau: „Eigentlich können wir schon jetzt sagen, dass das nicht unser Haus ist. Ich schlage vor, wir trinken nun noch einen Kaffee, essen den Rhabarberkuchen, den ich gebacken und mitgebracht habe, und dann fahren wir wieder.“


Wir waren sprachlos. Der Kuchen blieb uns im Hals stecken.

Wir waren nicht einmal fähig zu erwähnen, dass die reservierten Gästezimmer und das geplante Abendessen (trotz Stornierung) Kosten verursachten. Aufwände, die wir trotzdem hatten.


Als sie weggefahren waren, saßen wir wie erschlagen auf unserer Veranda. Nach gerade einmal fünf Besichtigungen hatten wir die Nase gestrichen voll und gaben den Verkauf an eine Agentur ab.

Was wir gelernt haben: Ein Hausverkauf ist nicht nur eine logistische, sondern auch eine emotionale Herausforderung. Man öffnet nicht nur Türen, sondern auch ein Stück seines Lebens. Und manchmal sitzt am Ende ein Rhabarberkuchen zwischen den Fronten.


À bientôt


ree

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