Eine Hommage an Stefan Eicher und wie ich meinen musikalischen Kompass in der Haute-Saône wiederfand
- Arlette Pinggera

- 25. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Sept.
Als ich vor drei Jahren aus der Schweiz in die Haute-Saône zog, habe ich etwas verloren, das mir bis dahin selbstverständlich war, meinen musikalischen Kompass. Ich weiss, das klingt seltsam, aber so hat es sich angefühlt. Alles, was ich früher gerne und oft gehört hatte, passte hier nicht mehr. Zwischen den alten Steinmauern, den weiten Feldern und den sanften Hügeln fand die Musik meiner Vergangenheit keinen Platz.
Ich habe es mit Chansons versucht und manches hat mich auch berührt. Klassiker, neue Stimmen, Lieder wie "Et si tu n`existais pas" von Camélia Jordanna, "La symclairs" von Zaho de Sagazan oder "Caravane" von Raphaël.
Besonders ans Herz gewachsen sind mir die Lieder von Barbara Pravi, allen voran "Deda", das ich liebe, liebe, liebe. Und doch blieb das Gefühl, dass meine Ohren, mein Herz, hier in Frankreich noch immer auf der Suche waren.
Und dann, eines Tages, auf dem Weg nach Jussey, zur Boulangerie, schob ich eine CD in die Musikanlage unseres alten Peugeots und hatte Stefan Eicher in meinen Ohren und diese sanfte Melancholie, die immer mitschwingt. Und plötzlich wusste ich, das passt perfekt. Genau so klingt mein Leben hier.
Herr Eicher begleitet mich schon fast mein ganzes Erwachsenenleben, ohne es zu ahnen. Mein erstes Mal mit ihm, damals in Engelberg, hinten beim Tal Museum, dort, wo ums Eck schon das Kloster sichtbar wird. Ich weiss nicht mehr genau, wie der Ort hiess, "Brunni", "Sonne"... egal. Es war ein wunderschönes Konzert, seine Stimme unverwechselbar, seine Präsenz stark.
Aber, ich hielt es nicht lange aus.
Seine Haare waren damals lang und sie fielen ihm während des Spielens immer wieder ins Gesicht. Mit einer schwungvollen Kopfbewegung warf er sie nach hinten, wieder und wieder und wieder. So oft, dass es mich wahnsinnig machte. Ich drehte mich irgendwann um, hörte mit dem Rücken zur Bühne weiter und erntete dafür nur Kopfschütteln von meiner Begleitung.
Jahre später, an meinem 43. Geburtstag, begegneten wir uns wieder. Wir waren mit Freunden in Pontresina, im Rondo spielte Eicher zusammen mit der wunderbaren Heidi Happy. Was für ein grandioses Konzert! Was für ein Fest! Das "Haare-nach-hinten-werfen" war längst passé, geblieben war die Musik, die unter die Haut geht.
Während unserer Zeit in der Wohnwerkstatt in S-chanf, wo wir Konzerte mit grossartigen Künstlern veranstalteten, haben wir oft gewitzelt: "Irgendwann spielt Eicher bei uns." Und irgendwie stimmt das auch, denn er spielt jetzt für uns, immer dann, wenn wir mit unserer alten Bauernkarre durch die Landschaft der Haute-Saône fahren.
Vielleicht ist es seine Stimme. Viellecht die leichte Melancholie, die mit den stillen Momenten dieser Landschaft mitschwingt. Viellecht auch, weil er selbst zwischen Sprachen, Kulturen und Stimmungen lebt und seine Musik genau das widerspiegelt.
Für mich jedenfalls gibt es nichts, das besser zu unserem Leben hier passt, als seine Musik. Es ist für mich die musikalische Übersetzung dessen, was es heisst, hier in der Haute-Saône zu leben: ein bisschen leise, ein bisschen melancholisch, aber voller Tiefe, voller Schönheit.
Danke, Herr Eicher,, für die Begleitung, damals, heute und hier, mitten in Frankreich. Und zu ihrer Frage, ob Sie nun endlich erwachsen werden sollen? Unsere Antwort: "Non, surtout pas." Bleiben Sie genau so, wie Sie sind.
À bientôt




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